Montag, 8. Februar 2016

[Leseprobe] Schattenzeichen von Heike Rissel




Zweifelnd suchte ich Raffaels Blick. „Dir ist schon klar, dass wir August haben und die gefühlte Außentemperatur immer noch bei beinahe 77 °F liegt? Hast du die Grippe oder warum schürst du diese Höllenhitze in der Bude?“ McConnor grinste anzüglich, was mich hätte vorwarnen müssen. Manchmal war ich bemerkenswert arglos, was das betraf. Statt einer Antwort warf er mich quer über seine Schulter und trug mich hinauf in unser Schlafzimmer. Mein Liebster schien diesen Transportweg absolut zu bevorzugen. Da ich bereits einmal vergeblich versucht hatte, mich gegen diesen Rückfall in die Steinzeit zur Wehr zu setzen, ließ ich mich kampflos von ihm abschleppen. Raffael stieß mit einem Fuß die Tür auf, trug mich durch das Schlafzimmer und ließ mich behutsam aufs Bett sinken. Dann gab er der Zimmertür einen Stoß, sodass diese mit einem Knall ins Schloss fiel. Die Gluthitze, die in diesem Raum herrschte, stellte die Wärme im Untergeschoss locker in den Schatten. Obwohl ich ein reichlich wärmebedürftiges Individuum war, trieben mir diese Temperaturen die Schweißperlen auf die Stirn. Ich kämpfte mich mühsam aus der weichen Matratze in eine halbliegende Position und stütze mich auf meine Ellbogen ab. Interessiert betrachtete ich meinen Liebsten, der aus dieser Perspektive heraus eine beeindruckende Ansicht bot. „Was ist nun, Vampir. Benötigt dein unsterblicher Metabolismus zeitweise Kochtopftemperaturen oder willst du mich einfach nur in den Wahnsinn treiben?“ „Mir würde es überhaupt nicht gefallen, wenn dir kalt wird“, erklärte mein Schotte. „Um dem vorzubeugen, habe ich die örtlichen Wärmequellen genutzt. Außerdem ist das Kaminfeuer ausnehmend romantisch. Findest du nicht auch?“ Ich sah mich möglichst unauffällig um. Die Vorhänge waren zugezogen, Kerzen angezündet. Nicht vier oder fünf, sondern bestimmt dutzende. Raffael hatte die Schleifen der Betthimmel gelöst, so dass sich diese locker um die Pfosten bauschten. Eine Flasche Champagner stand in einem Kühler neben dem Bett bereit, nebst dazugehörigen Gläsern. Verwirrt blickte ich zu meinem Romantiker auf. „Gibt es etwas zu feiern? Hast du Geburtstag oder so etwas?“ „Nein“, erwiderte Raffael grinsend. „Mir ist nur eine Idee gekommen und ich hoffe, die Umsetzung wird dir Vergnügen bereiten.“ Verflixt. Mir wurde etwas mulmig zumute. Das hier sah verschärft nach einem Verführungsversuch aus. Dabei war unser Nachholbedarf an sinnlichen Momenten durchaus in ausreichender Anzahl befriedigt worden. „Hast du etwas für Experimente übrig, mo chride?“, fragte er und ließ seine Stimme noch ein paar Tonlagen weiter absinken. Dieses dunkle honigwarme Timbre holte meine Schmetterlinge aus ihrem Tiefschlaf und versprach kommende körperliche Eskapaden. Ich schluckte an einem Kloß im Hals und konnte nur nicken. „Nun gut. Kannst du dann einmal das tun, um das ich dich bitte?“ Stumm gab ich mein Einverständnis. Ich war gespannt, erregt, verwirrt und leicht verängstigt. Raffael lächelte entspannt. Er hatte mein Gefühlschaos natürlich registriert. Er befreite mich nach und nach von meinen Schuhen, öffnete den störrischen Knopf meiner Jeans und zog aufreizend langsam den Reißverschluss herunter. Als ich mich aufsetzen und mich von meinem Beinkleid befreien wollte, schüttelte er nur den Kopf und übernahm diesen Job selbst. Sanft aber unnachgiebig drückte er mich zurück in die Kissen. Raffael setzte sich zu mir auf das Bett und ließ seine Hände über meinen Körper wandern. Meine Bluse hatte gefühlt tausend Knöpfe. Jedenfalls ließ er sich unendlich viel Zeit, um einen nach dem anderen zu öffnen. Mir stockte der Atem, als seine Finger, wie zufällig, leicht meine Haut berührten. Mein Blut schien zu kochen und meine aufsässigen Schmetterlinge probten den Aufstand in meinem Unterleib. McConnor hatte es nicht eilig. Er streifte mir meine Bluse über den Kopf. Als ich jedoch Anstalten machte, sie vollends abzustreifen, hinderten seine Hände mich daran. So, hilflos gefangen durch die zugeknöpften Manschetten meiner Blusenärmel, musste ich erleben, wie meine restliche Unterwäsche denselben Weg wie die Jeans und Schuhe nahmen. „Bleib so. Ich bin gleich wieder da“, flüsterte er mir heiser vor Begehren ins Ohr. Was sollte das? Er verschwand einfach, während mein Körper nach Raffaels Berührungen gierte. Mein Herz schlug laut und unregelmäßig und mein Atem wurde hektisch. So nackt und ausgeliefert auf diesem riesigen Bett, präsentiert wie ein Schmuckstück in seiner seidenen Schatulle, überkam mich ein seltsames Gefühl. Beklommen und erregt zugleich. Raffael konnte nur wenige Minuten fort gewesen sein und seine Rückkehr ließ mich sämtliche Bedenken vergessen. Er hatte sein Oberhemd ausgezogen und stand nun mit freiem Oberkörper am Fußende. Wie immer konnte ich mich an diesem Spiel der Muskeln unter seiner sonnengebräunten Haut nicht sattsehen. Gemächlich schälte er sich auch noch aus seiner Lederhose und stellte sich nun vollkommen unbekleidet vor mich. „Schließ die Augen, Cathleen“, raunte er leise. Ich versuchte noch einen Blick auf diesen Alabasterkörper zu erhaschen, kam dann jedoch, nach einem strafenden Seitenblick, missmutig seiner Aufforderung nach. Als Raffael sich zu mir setzte, riss ich die Augen wieder auf. „Nicht doch, mein Engel. Vertrau mir.“ Widerstrebend stimmte ich zu. Heiße Lippen liebkosten jeden Zentimeter meines Körpers. Knabberten von meinen Handgelenken hinunter zu meiner Ellenbeuge und verursachten eine heftige Gänsehaut, als seine Zähne kurz über diese zarte Haut schabten. „Bitte Raffael …“, wisperte ich, bebend vor Verlangen. „Still.“ Er legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen, verschloss vehement meinen Mund, nur um gleich darauf langsam und genussvoll die Konturen meiner Unterlippe nachzuzeichnen. Erbarmungslos wanderte seine Zunge, seine Lippen über meine Schultern, hinunter bis zu meinem Bauch in weiter südlich liegende Gefilde, hinterließen ein brennendes Inferno. Es kostete mich von Minute zu Minute mehr Überwindung, still und mit geschlossenen Augen liegen zu bleiben. Ich brauchte Raffael, um meine wachsende Begierde zu stillen. Er hatte sich jedoch eine Überraschung der besonderen Art überlegt. Der Kontakt mit etwas Eiskaltem ließ mich panisch zusammenzucken. Ich kreischte erschrocken auf und schnappte nach Luft. Vorwurfsvoll sah ich auf und begegnete seinem mitternachtsblauen Blick, in dem sich rückhaltloses Begehren abzeichnete. Dann entdeckte ich den Ursprung dieser eisigen Gefühlseruption. Eis. Himbeereis, um genau zu sein. In Raffaels Augen blitzte ein dämonisches Grinsen auf. Ich blinzelte und versuchte mich aufzusetzen. Da fühlte ich, wie sich seine Hand auf meine Lider legte und meine Augen erneut verschloss. Sanft folgten seine Finger dem Verlauf des schmelzenden Eises und setzten meine Haut in Brand. Ich wölbte mich seinen Berührungen unwillkürlich entgegen. Ungeduldig und bebend vor Begierde. Ohne jede Vorwarnung hörte er plötzlich auf. Ich spürte, wie er das Bett verließ. Kurze Zeit darauf war er wieder zurück. Während ich noch immer rücklings auf dem Bett lag und mit den Ärmeln meiner widerspenstigen Bluse kämpfte, die meine Hände fest umschlossen, vernahm ich ein charakteristisches Schüttelgeräusch. Neugierig geworden linste ich durch den dichten Wimpernkranz, der meine Augen beschattete. Raffael hatte sich breitbeinig über meine Oberschenkel gekniet und rang offenbar angestrengt mit den tückischen Errungenschaften der modernen Lebensmittelindustrie. Just in diesem Augenblick gewann mein Liebster den Kampf mit der Sprühdose. Fassungslos riss ich die Augen auf und blickte in die tiefen Abgründe eines ziemlich abgefeimten Unsterblichen. „Hatte ich dich nicht gebeten die Augen geschlossen zu halten?“, tadelte er mich. Ich schluckte angespannt. Meine Blicke folgten wie gebannt seinen Bewegungen. Erneut schüttelte er die Sahnedose. „Das wagst du nicht …“, begann ich atemlos und sah, wie sich sein Gesicht zu einem hinterhältigen Grinsen verzog. Doch. Er wagte es. Zischend schoss die Sahne aus der Düse und hinterließ milchig weiße Spuren auf meinem zappelnden Körper. Bevor ich mich unter Raffael herausrollen konnte, um weiteren Verzierungen zu entgehen, ließ sich mein spielfreudiger Liebhaber mit seinem vollen Gewicht auf mein Becken sinken und nagelte mich förmlich auf der Matratze fest. Hilflos musste ich nun mit ansehen, wie Sahnehäubchen für Sahnehäubchen meine Haut bedeckten. Um das Maß vollzumachen, drückte Raffael noch je eine Himbeere auf die süße Leckerei. Befriedigt setzte er sich zurecht und betrachtete sein Kunstwerk. Das schmelzende Himbeereis vereinigte sich mit der Sahne und den Himbeeren zu einem süßen Nachtisch und lief auf meiner glühenden Haut hinunter. Bevor ich weiter lamentieren konnte, verschloss mir Raffael kurzerhand mit einem besitzergreifenden Kuss die Lippen und ich ergab mich. „Sachte, mein Herz. Schließ die Augen und fühle“, flüsterte er heiser in mein Ohr. Und ich fühlte. Intensiv wie vielleicht nichts anderes zuvor. Ich spürte Kälte, die sich auf der Glut meiner Haut erwärmte und an meinen Körper hinablief. Eisige Flüssigkeit sammelte sich in meinem Bauchnabel, floss weiter und verteilte sich schmelzend über meine überhitzte Haut. Kalte, prickelnde Spuren legend. Mein Körper vibrierte. Eiseskälte und glühende Hitze paarten sich, ließen mich vor Erwartung erzittern. Dann war da Raffaels Mund. Seine Lippen, seine Zunge folgten der Bahn, die die Flüssigkeit genommen hatte. Mein Körper bäumte sich auf. Hektisch versuchte ich mich von dieser fesselnden Bluse zu befreien, was mir jedoch unglücklicherweise misslang. Ich wand und drehte mich unter seinen Liebkosungen. Endlich hatte ich mich von den Fesseln meines Kleidungsstücks gelöst und schmiegte mich nunmehr rachsüchtig an meinen Liebhaber der süßen Genüsse. Bevor er sich versah, drehte ich den Spieß um. Ich rollte ihn auf den Rücken und setzte mich rittlings auf ihn. Fragend blickte er mich an. Mit einem boshaften Grinsen revanchierte ich mich. Sahne war schließlich noch genügend da. Kichernd malte ich ein Sahneherz auf seine muskulöse Brust und arbeitete mich langsam und genüsslich weiter hinunter. Ich legte eine Sahnespur, dem schmalen Streifen dunkler Haare folgend, die von seinem Nabel abwärts verlief. Raffaels Muskeln verkrampften sich, unwillkürlich entfuhr ihm ein Stöhnen. Bevor ich jedoch das Objekt meiner Begierde ebenfalls verzieren konnte, hielten mich seine Hände zurück. Komische Verzweiflung stand in seinen tiefblauen Augen. „Du wirst doch nicht …“, begann er entsetzt. Ich schenkte ihm ein niederträchtiges Lächeln. Seine Hände, die mich umklammerten, schüttelte ich ab und vollendete mein Werk. Ein ersticktes Keuchen belohnte meine Bemühungen, das sich noch verstärkte, als meine Zunge den Sahnespuren folgte. Seine Haut war verführerisch glatt und weich über den festen Muskelsträngen, schrie geradezu nach meinen Berührungen. Raffael schien einem Herzinfarkt nahe, als ich meine Lippen zu Hilfe nahm. Bevor er jedoch irgendwelche Dummheiten begehen konnte, setzte ich mich auf und ließ mich langsam und genussvoll auf ihn sinken. Raffaels Körper bäumte sich unter mir auf, als ich ihn tief in mir aufnahm. Seine Muskeln waren gespannt wie Bogensehnen. Die Hände umfassten meine Taille, gaben schließlich den Rhythmus vor. Langsam öffnete er seine Augen. Sein Blick verriet Erstaunen, das sich jedoch übergangslos in glühende Leidenschaft verwandelte, als unsere Bewegungen heftiger wurden. Unsere Haut gab schmatzende Geräusche von sich, als sich unsere Körper schließlich vereinigten. Die Flamme der Begierde verzehrte uns, ließ uns miteinander zu einem Ganzen verschmelzen.

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